Mittwoch, 29. Oktober 2003
Stupid White Moore
Michael Moore spielt den Richter: Er hält Mumia Abu-Jamal für schuldig



Der Dokumentarfilmer, Oskar-Gewinner und Buchautor Michael Moore ist mit seinem Bestseller »Stupid White Men« und den darin enthaltenen starken Sprüchen über George W. Bush zu einem Stichwortgeber für kritische Kreise in den USA und Europa geworden. Was er sagt oder schreibt, findet großes Medienecho. Kürzlich löste seine öffentliche Fürsprache für General Wesley Clark als US-Präsidentschaftskandidat Erstaunen aus. Er erklärte den Oberbefehlshaber des völkerrechtswidrigen Krieges gegen Jugoslawien zum »Friedenskandidaten«. Moore mußte sich nachsagen lassen, daß ihm jedes Mittel und jeder Gegenkandidat recht sei, wenn damit nur Bushs Thron angesägt werde. Nun hat Moore wieder zugeschlagen. Aktivisten, die sich für den seit 1982 in der Todeszelle sitzenden Journalisten und Bürgerrechtler Mumia Abu-Jamal engagieren, kritisieren Moore heftig wegen seiner Behauptung, Abu-Jamal habe den Polizisten Daniel Faulkner 1981 »wahrscheinlich umgelegt«. Dieses Urteil verbreitet Moore nämlich in seinem neuesten Buch »Dude, Where's My Country?«, in dem es auf Seite 189 heißt: »Mumia hat den Typen wahrscheinlich umgelegt. Okay, jetzt habe ich's gesagt. Das heißt ja nicht, daß man ihm einen fairen Prozeß verweigern oder ihn hinrichten sollte. Aber weil wir nicht wollen, daß er oder sonst jemand hingerichtet wird, könnte ja bei dem Bemühen, ihn zu verteidigen, die Tatsache übersehen worden sein, daß er den Bullen umgelegt hat. Das schmälert ja nicht die Sprachgewandtheit seiner Bücher und Kolumnen oder die wichtige Stellung, die er jetzt auf der internationalen politischen Bühne eingenommen hat. Aber er hat den Typen wahrscheinlich umgelegt.« David Lindorff warf nun in dem US-Magazin Counterpunch die Frage auf, wieso Moore zu diesem Schluß komme. Moore hatte 1997 noch geschrieben: »Ich will, daß Mumia lebt, ich habe deshalb die Petitionen unterzeichnet und Geld für die Zeitungsanzeigen bezahlt – verdammt, ich werde noch persönlich hingehen und dem Gouverneur von Pennsylvania in den Hintern treten!« Lindorff, Autor des Buches »Killing Time«, einer akribischen Analyse des Falles von Abu-Jamal, entwickelt in Counterpunch faktenreich die Argumentation, wieso der Prozeß gegen Abu-Jamal nicht einen einzigen haltbaren Schuldnachweis erbracht habe, und daß erst recht alle Untersuchungen seitens der Verteidigung ausschließlich nur Beweise für die Uschuld des Todeskandidaten zutage gefördert hätten. Lindorff wirft Moore vor, wie schon andere Intellektuelle vor ihm rechne er nun mit der Linken ab, weil sie den »Kontakt zum Mainstream-Amerika verloren« habe. Wenn Moore aber indirekt einräume, Abu-Jamal habe keinen fairen Prozeß gehabt, dann, so Lindorff, werfe das doch die Frage auf, mit welchen Informationen und Beweisen er sein Urteil fälle. Lindorff schließt seine scharfe Verurteilung des »unentschuldbaren« Verhaltens: »Leute wie Michael Moore schulden ihren Lesern mehr, als dieses schlecht informierte und ignorante Gesabber abzusondern und sich als Journalisten aufzuspielen. Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber wenn jemand seine Stammtischparolen schon an die Öffentlichkeit bringt, muß seine Meinung auf Fakten basieren.« In Philadelphia hat das Internationale Komitee der Angehörigen und Freunde Abu-Jamals Moore ultimativ dazu aufgefordert, sich den Vorwürfen öffentlich zu stellen. Man erwarte das von ihm gerade jetzt, da der Kampf um das Leben Abu-Jamals in die entscheidene letzte Phase trete und es darum ginge, die Justiz zu zwingen, nach 20 Jahren endlich die vielfältigen Unschuldsbeweise gerichtlich zu würdigen.



Richter will »Nigger grillen« USA: Zulassung von Beweisen zur Entlastung von Mumia Abu-Jamal wird weiter blockiert Am 8. Oktober hat der Oberste Gerichtshof von Pennsylvania mehrere Anträge der Verteidigung des US-Bürgerrechtlers Mumia Abu-Jamal abgelehnt. Damit sind die Papiere aus den vergangenen beiden Jahren, mit denen die Anerkennung weiterer Unschuldsbeweise durch das Gericht gefordert wurde, zur Makulatur erklärt worden.

In einer ersten Stellungnahme hat der neue Hauptanwalt Abu-Jamals, der seit 30 Jahren ausschließlich in Todesstrafenverfahren auftretende Anwalt Robert R. Bryan aus San Francisco, vor allem die Teilnahme von Richter Castille an dieser Entscheidung kritisiert. Castille war jahrelang offen für die Hinrichtung von Abu-Jamal eingetreten.

Daß »der Bock zum Gärtner gemacht wurde«, ist eine Erkenntnis, die im Verlaufe des sich seit nunmehr 21 Jahren da-hinschleppenden Verfahrens in all seinen Rechtszügen gewonnen werden mußte. Unfaßbar war für die Weltöffentlichkeit, daß derselbe Richter Sabo, berüchtigt als »Henker in Richterrobe«, der Abu-Jamal 1982 zum Tode verurteilte, 1995 darüber entscheiden durfte, ob ein Wiederaufnahmeverfahren zugelassen wird. Seit seiner Ablehnung eines neuen Prozesses im September 1995 befassen sich die Staats- und Bundesgerichte in Pennsylvania mit der Flut von neuen Beweisen, die die Verteidigung im Laufe von über zehn Jahren für die Unschuld Abu-Jamals erbracht hat. Bis heute haben es alle angerufenen Gerichte geschafft, keinen dieser Beweise in die Akten aufzunehmen. Die Standardbegründung wie bei der jüngsten Entscheidung hieß: »Der Antrag wurde zu spät eingereicht.«

Für Rechtsanwalt Bryan ist es ein Unding, daß selbst das offene Bekenntnis von Richter Sabo, »ich werde dabei helfen, den Nigger zu grillen«, das von der Gerichtsstenographin Terri Maurer-Carter bezeugt wurde, nicht als Beleg für den rassistischen Charakter des Todesurteils zu den Akten genommen werden soll. Bryan: »Der Vorsitzende Richter hat bereits vor der Entscheidung der Geschworenen klar seine Motivation zu erkennen gegeben und gesagt, er werde dafür sorgen, daß Mumia Abu-Jamal verurteilt und hingerichtet wird. Die dümmliche Begründung, die das Gericht dafür gibt, ist, daß die Frage der Befangenheit von Sabo bereits vor Jahren behandelt worden sei und man keine Voreingenommenheit des Richters habe feststellen können. Die wichtige Aussage von Terri Maurer-Carter war aber zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht bekannt!«

Für Bryan gibt es keine Zweifel, warum der Oberste Gerichtshof diese Zeugin nicht hören will: »Weil ihre Aussage nicht nur den rassistischen Charakter des Verfahrens gegen meinen Mandanten entlarvt. Nicht nur dieser eine Richter, nicht nur Philadelphia und Pennsylvania, sondern das gesamte Justizsystem der USA wird dadurch angeklagt. Und das wollen sie unter den Teppich kehren. Richter Castille hatte in seiner Amtszeit als Staatsanwalt ein enges kollegiales Verhältnis zu Richter Sabo und will natürlich nicht, daß dieser Richter heute vor aller Welt als Rassist entlarvt wird.«

Richter Yohn von der ersten Bundesgerichtsinstanz in Pennsylvania hat am 18. Dezember 2001 in einem Urteil die Ablehnung des Wiederaufnahmeverfahrens, wie sie Richter Sabo 1995 gefaßt hatte, bestätigt und gleichzeitig entschieden, das Todesurteil in lebenslange Haft zu verwandeln. Dieses Urteil ist bis zum heutigen Tage nicht rechtskräftig; die weitere Verhandlung darüber war durch die erneuten Verhandlungen vor den Staatsgerichten blockiert. Yohns Entscheidung basierte auf dem einzig von ihm zugelassenen Berufungsgrund, den auch Rechtsanwalt Bryan als wesentlich hervorhebt: »Bundesrichter Yohn hat zwar nur einen Grund, nämlich die rassistische Voreingenommenheit bei der Geschworenenauswahl, zur Berufung zugelassen hat, es gibt aber weitere, die wir jetzt erneut vorbringen werden. Es geht dabei zum Beispiel um die Tatsache, daß Mumia die Hälfte der Zeit vom Verfahren ausgeschlossen war. Wir haben aber nur ein Ei im Korb. Wenn es zerschlagen wird, haben wir nichts mehr in der Hand, und Mumia wird hingerichtet. Also müssen wir zusehen, mehr Eier in den Korb zu bekommen, das heißt, es müssen weitere Verfahrensrügen zur Berufung zugelassen werden.«

Robert R. Bryan läßt keinen Zweifel daran, daß die nun vor den Bundesgerichten anstehende juristische Auseinandersetzung nur Erfolg haben kann, wenn die internationale Solidaritätsbewegung einen starken öffentlichen Druck erzeugt. Die Bürgerrechtsaktivistin Angela Davis und der legendäre afroamerikanische Schauspieler Ossie Davis tragen dem in ihrem dringenden Appell Rechnung, mit dem sie die Öffentlichkeit zur Unterstützung und zu Spenden aufrufen: »Mumia Abu-Jamal ist der derzeit bekannteste politische Gefangene der USA. Das Todesurteil gegen ihn ist eine solche Schande, daß es von Staatsführungen in aller Welt, vom Europäischen Parlament wie von Amnesty International öffentlich verurteilt wurde.«

(Siehe auch Interview mit Robert R. Bryan)

* Info: www.freedom-now.de

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